NON SCHOLA SED VITAE DISCIMUS
ON SCHOLA SED VITAE DISCIMUS - so heißt es, ich habe es übersetzen gelernt, aber was habe ich wirklich von der Schule für das Leben gelernt? Der Beginn der Schulzeit auf dem Gymnasium brachte große Umstellungen mit sich. Der Schulweg wurde länger, die Klasse größer, die Mitschüler kamen plötzlich nicht mehr nur aus der direkten Umgebung, sondern aus dem ganzen Einzugsbereich der Ludwig- Meyn Schule. Zu allem Überfluss mussten wir nun auch noch samstags in die Schule, zumindest jeden zweiten. Kurz gesagt, die Welt wurde wieder ein Stück weit größer. Der Unterricht war dadurch geprägt, uns durch mehr oder weniger frontalen Unterricht Wissen mitzuteilen. Die Orientierungsstufe hindurch schwebte das Schwert über uns, ob wir es denn schaffen würden oder ob am Ende der zwei Schuljahre der Wechsel vielleicht auf eine andere Schule notwendig würde. Durch das Lernen von Fremdsprachen wurde der Horizont wieder etwas weiter. Englische Sprache hat man ja überall im Radio gehört und im Fernsehen mitbekommen, aber nun lernte man langsam auch zumindest ein paar Wörter zu verstehen. Nach zwei Jahren stand die erste große Entscheidung an, die man selber treffen durfte, Latein oder Französisch. Ich war mir vielleicht der Tragweite dieser Entscheidung mit knapp 14 Jahren noch nicht bewusst und entschied mich für Latein. Vielleicht würde ich mich mit meinen heutigen Erfahrungen anders entscheiden, wichtig aber war, dass meine Eltern mir diese Entscheidung selbst überließen. Die Wahl der zweiten Fremdsprache brachte gleichzeitig eine Neuzusammenstellung der Klassen mit sich, neue Gesichter, neue Lehrer, die Mittelstufe brach an. Dieser Zweijahresrhythmus sollte nun die Schulzeit weiter bestimmen. Zusätzlich zu neuen Fächern sollten nun auch andere schulische Aktivitäten kommen, die mich durch die Schulzeit begleiten sollten. Ich durfte ins Schulorchester eintreten. Dies bedeutete einen Nachmittag zusätzlich und freiwillig in die Schule kommen und an den Orchesterproben teilzunehmen. Für andere Schüler gab es die Möglichkeit, sich in der Theatergruppe oder in anderen AGs zu engagieren. Eine weitere Betätigung habe ich als Klassensprecher und damit in der Schülervertretung gefunden. Zumeist eine, wie ich damals fand, fade Veranstaltung, aber man hatte zumindest für die Sitzung keinen Unterricht, also warum nicht? Zusätzlich zu den freiwilligen Aktivitäten im Schulorchester bot sich plötzlich weiter die Möglichkeit durch Klassenfahrten und andere Exkursionen die Welt weiter kennen zu lernen. Die erste Möglichkeit war ein Wandertag in strömendem Regen zum Pinnau-Sperrwerk in der Sexta. Die Sprünge wurden größer, man fuhr in der Quarta gemeinsam mit allen Klassen nach Hörnum auf Sylt, später mit der eigenen Klasse irgendwo anders hin, wir waren wandern im Harz, noch später ergab sich durch Austausch und Partnerprogramme die Möglichkeit Frankreich kennenzulernen oder Ungarn. Wir lernten andere Länder kennen. Eine große Unterstützung erfuhren wir auch, als ein paar aus unserem Jahrgang ein Austauschjahr in den USA und anderswo absolvieren wollten. Diesen Austausch hat die Schule gefördert und uns dabei unterstützt. Nicht zuletzt dadurch, dass das Schuljahr voll anerkannt wurde und wir gleich in die zwölfte Jahrgangsstufe einsteigen konnten. Der Eintritt in die Oberstufe brachte große Entscheidungen mit sich, die nun allein zu treffen waren. Die Wahl der Leistungskurse, die Abwahl von Fächern, die man meinte, nicht mehr zu benötigen, alternative Angebote - Religion oder Philosophie, Musik oder Kunst? Man war nie alleine bei dieser Wahl. Stets waren Ansprechpartner da, die man fragen konnte, wenn man es nur wollte. Der Stil des Unterrichts änderte sich auch. Selbstständige Vorbereitung von Referaten, die plötzlich akut notenrelevant wurden. Diskurs trat an die Stelle von Frontalunterricht. Die Umstellung von mehreren Klassenarbeiten auf eine oder zwei Klausuren pro Halbjahr, die nun plötzlich auch länger dauerten. Das alles war eine wertvolle Vorbereitung darauf, was uns im Studium erwarten würde. Nicht zu vergessen, dass man selbst seine eigenen Entschuldigungen anfertigen durfte und sich dafür bei seinem Tutor rechtfertigen musste. Rückblickend kann ich sagen, dass die Schule mich gut im Erwachsenwerden unterstützt, die notwendige Führung rechts und links des Weges gegeben hat. Eigenes Engagement wurde auch gefördert. Es gab Schülermusikabende, die man organisieren konnte, Schulkonzerte, die vorzubereiten waren, Projektwochen, in denen man als Oberstufenschüler schon einmal die Möglichkeit hatte, ein eigenes Projekt durchzuführen. Eigenverantwortlich, aber immer war auch jemand im Hintergrund, den man fragen konnte. Hat mich das in meiner Berufswahl irgendwie beeinflusst? Ja und nein. Betrachtet man meine schulischen Aktivitäten, wäre mir eine musikalische oder geisteswissenschaftliche Ausbildung prophezeit worden. Durch die solide Ausbildung und die Anleitung zum selbstständigen Lernen habe ich auch das ingenieurwissenschaftliche Studium gemeistert. Die generelle Neugier auf die Dinge ist aber geblieben, und mein Schulwissen reicht heute immer noch aus - obgleich ich wohl schon vieles vergessen habe - zum Beispiel einfache lateinische Inschriften auf Kirchen zu verstehen, geschichtliche Zusammenhänge zu verstehen, Goethe oder Schiller zu zitieren oder eben eine Violine von einem Waldhorn zu unterscheiden. Diese Grundlagen werden in der Schule und der gymnasialen Ausbildung gelegt und werden mich wohl noch ein weiteres Stück begleiten. Jan-Hendrik Tutt |