Mängel überall

BioprofilEnttäuschend ist die Reaktion des Ministeriums für Bildung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein auf den Beschwerdebrief einer unserer Mitschüler: Die Regelungen der Oberstufen- und Abiturprüfungsordnung seien „in ihrer Gesamtheit sicher nicht als Nachteil zu verstehen“. Was in der Antwort ohne Begründung und ohne Nähe zur tatsächlichen Situation dargelegt wird, stößt bei uns Betroffenen auf maßloses Unverständnis. Tagtäglich erleben wir die eklatanten Schwächen der Sparmaßnahme Profiloberstufe, die unter dem Vorwand eingeführt wurde, eine breitere Allgemeinbildung für Oberstufenschüler zu garantieren.

Als erster Jahrgang und somit als Versuchskaninchen haben wir die zweifelhafte Ehre, unser Abitur mit Hilfe der Profiloberstufe zu erreichen. Statt Leistungs- und Grundkurse wählten wir eines von vier möglichen Profilen. Theoretisch ist ein Profil eine Zusammenstellung verschiedener Fächer, deren Anspruch es ist, gleichzeitig Fächer aller Aufgabenfelder abzudecken und dennoch die Spezialisierung auf ein Aufgabenfeld zu ermöglichen. Praktisch geht der Verlust der Wahlfreiheit mit eher geringen Unterschieden zwischen den Fächerkombinationen einzelner Schüler einher. Vergleicht man innerhalb eines Profils die Anteile der verschiedenen Fächer, so ist die als Ziel ausgegebene fachliche Orientierung in den wenigsten Fällen offenkundig. Beispielsweise entfallen im Physik-Profil acht Wochenstunden auf das naturwissenschaftliche Aufgabenfeld, auf das gesellschaftswissenschaftliche ebenso viele. Die Möglichkeit zur Spezialisierung zwecks angemessener Vorbereitung auf das Studium ist damit nicht mehr gegeben.

PhysikprofilGanz davon abgesehen, dass die Fächerkombination für jeden Schüler notwendigerweise einen Kompromiss darstellt, steigt im Vergleich zum Kurssystem allein die Anzahl der Fächer wie auch die Anzahl der Wochenstunden. Unter den Pflichtfächern befinden sich immer ein ästhetisches Fach sowie eine zweite Fremdsprache. Völlig ungeachtet dessen, ob beide Fächer für die fachliche Orientierung des Profils oder den angestrebten beruflichen Werdegang des Einzelnen überhaupt eine Rolle spielen werden, müssen beide Fächer ins Abitur eingebracht werden, was die Oberstufe für einseitig Interessierte erheblich erschwert. Bedenkt man, dass im Prinzip alle alles belegen müssen, folgt insgesamt die Situation, dass sowohl im Kurs- als auch im Klassenunterricht stärkere und schwächere Schüler gemeinsam ohne erkennbare Leistungsabstufung unterrichtet werden. Es ergibt sich ein enormes Leistungsgefälle, das niemandem nützt und durch die großen Klassen noch weiter gefördert wird.

In den Köpfen der Lehrer ist die Profiloberstufe noch nicht verwirklicht. Gerade in den Gesellschaftswissenschaften zeigt sich die Tendenz, alte Leistungskursmaßstäbe anzulegen, die heute jedoch realitätsfern erscheinen. Im Gegensatz dazu stehen bestimmte naturwissenschaftliche Fächer im Klassenverband, die für die Mehrzahl der Schüler nur noch zum Füllen der Lücken im Stundenplan dienen und deren Lehrer im Kampf gegen die Ignoranz längst resigniert haben – für aufrichtig Interessierte eine Katastrophe ohnegleichen.Bioprofil

Offen zeigt sich die Absurdität des Systems in den erst lang und breit angekündigten und dann urplötzlich zurückgezogenen schriftlichen Extraleistungen für die Oberstufe. Dieser fast peinliche Änderungsversuch ist nur eine von zahlreichen Modifikationen während der laufenden Oberstufe, die in der Schülerschaft Unsicherheit und Unmut erzeugen. So wurden die Abiturrichtlinien für das Fach Sport derart verändert, dass einige Schüler des Kurses Sport-Theorie, nachdem sie das Fach bereits anderthalb Jahre belegt hatten, sich zum Aufgeben gezwungen sahen.

Trotz der vielen offensichtlichen Mängel der Profiloberstufe weist das Ministerium die daraus resultierenden Nachteile als unbegründet zurück. Gerade vor diesem Hintergrund scheint der von einigen geforderte Nachteilsausgleich illusorisch. Wir befürchten, dass wir für unseren Abiturschnitt im Vergleich mit dem Kurssystem eine Verschlechterung von rund 0,3 erwarten, und das bei gleichzeitig sinkenden Kenntnissen. Dadurch wird gerade in Numerus-Clausus-Fächern der Zugang zur Universität erschwert.

Ágnes K.-G. (12b) und Lukas W. (12c)

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