Atemberaubende (Ein)Blicke


Das zweifelhafte Vergnügen, 15 Stunden lang mit der Deutschen Bahn beziehungsweise dessen ungarischen Partner zu fahren, hat man nicht alle Tage. Um der Langeweile nicht gänzlich zum Opfer zu fallen, wurde keine Beschäftigungsidee ausgeschlagen. Ständiges Essen, stundenlange Mario-Kart-Duelle und Fotosessions hielten uns am Leben. Nach spätabendlicher Ankunft und kurzer Nachtruhe ging es am nächsten Morgen in der Schule weiter, wo wir für drei Stunden zu allgemeinem Unterrichtsmaterial „degradiert“ wurden. Eine anschließende Regierungsviertel-Besichtigung und Bowling, welches das Gemeinschaftsgefühl ungemein stärkte, rundeten das Programm des Tages ab. Am Samstagmorgen machten wir uns auf den Weg nach Eger (oder - wie die Ungarn es nennen - Äääääger), um eine Burg, ihr Gewölbe und den Minarettenturm zu besichtigen.

Quasi gezwungener Weise (von Herrn Andresen) durften wir diesen erklimmen, um Fotos von der wunderbaren Aussicht zu machen. Der Abend wurde dann mit den jeweiligen AustauschschülerInnen - alleine oder in Gruppen - an unterschiedlichen Orten in Budapest verbracht. Der Familientag wurde auf den Sonntag gelegt und sehr unterschiedlich gestaltet. Einige gingen zum Pferderennen, andere in Gruppen shoppen und wieder andere spielten Fußball.

Für den Montag hatten sich unsere Gastgeber eine andere Beschäftigung überlegt. Wir sollten in kleinen Gruppen mit jeweils zwei Guides die Sehenswürdigkeiten Budapests erkunden und mit Hilfe eines auszufüllenden Steckbriefes kennenlernen. Unser persönliches Highlight dieser Erkundung: Freies WLAN bei McDonald's. Dabei sei angemerkt, dass ungarische Cheeseburger besser sind als deutsche. Während unseres selbstständigen Trips hatten wir auch den Auftrag bekommen, zu beobachten, was in Ungarn „in“ und „out“ ist. Unsere neuen Erkenntnisse durften wir auf einem Plakat festhalten. Abends hat sich ein Großteil der Gruppe vor der wunderschön angeleuchteten Basilika getroffen, um eine feucht-fröhliche ungarische Spezialität zu genießen.

Dienstag: 8:30 Uhr, ABFAHRT!Unser nächstes Ziel war das Donauknie, wo zuerst die Krönungsbasilika des ersten Königs von Ungarn besichtigt wurde - inklusive der über 500 Stufen. Rauf und runter! Bei etwa 130 Metern über dem Boden überkamen den Einen oder Anderen Schwindelgefühle. Anschließend fuhren wir zu einer Burg, deren doch so prägnanter Name sich leider nicht in unser Gedächtnis einbrennen konnte. Die Aussicht aufs Donauknie war dennoch atemberaubend, jetzt mal ernsthaft. Dem Anschein nach sind Sommerrodelbahnen in Ungarn „in“ - zumindest durften wir eine benutzen.

Über die Zeit ist der Bus zu unserem zweiten Zuhause geworden. Man hatte seinen Stammplatz, seine Schlafecke und seine angestammten Gesprächspartner. Unser letzter Besuch, auch ohne unsere ungarischen Gastgeber - denn einen weiteren Unterrichtsausfall konntet ihr ebenso wie unser äußerst marodes Schulsystem wohl nicht verkraften - galt dem Schloss Gödöllő, der Sommerresidenz von Kaiserin Sissi und Kaiser Franz, wie uns stolz berichtet wurde. Freddie Mercury, zumindest sah er so aus, führte uns hindurch und erzählte uns überaus nette Anekdoten, die sich hier abgespielt haben sollen. Die Führung wurde durch einen kurzen Film abgerundet. Es war sogar ein 3D-Film! Der ging um einen Baum, der der beste Freund von Sissi war.

 Zurück in Budapest trafen wir uns alle in der Schule zur Auswertung unserer wunderschönen und wohldurchdachten Plakate vom Montag wieder. Die Plakate wurden von einer unparteiischen Jury beurteilt. Die Siegergruppe wurde mit einer
Sahne-Frucht-Torte ausgezeichnet, die so sättigend war, dass ein Großteil aller von ihr
essen konnte. Das anschließende Buffet war überraschend schmackhaft. Zum Verhängnis wurde allerdings, dass alles und vor allem die Torte äußerst zuckerhaltig war. Und wie jeder weiß, soll man abends nichts Süßes mehr essen. Das ist ja schlecht für die Zähne und außerdem ist man dann immer so aufgedreht. Und so verlief auch die offizielle Abschiedsfeier. Doch natürlich ging es im Anschluss munter weiter. Gemeinsam begab sich die gesamte Gruppe in eine nicht weit entfernte, unserem Alter entsprechende Location. Einige saßen draußen in klirrender Kälte, während sich andere im warmen Inneren vergnügten. Dabei wurden auch spontan neue, dafür aber umso tiefgründigere Freundschaften zwischen Ungarn und Deutschen geschlossen. Spät in der Nacht (eher am Morgen) zerstreuten wir uns dann in Grüppchen mit unterschiedlichsten Gemütslagen. Glückstrunken und erfüllt von den Geschehnissen der Nacht zockelte man, versuchsweise zielstrebig, Richtung zuhause. Am Morgen des Abschieds hieß es zur Abwechslung mal früh aufstehen, denn viele mussten durch den Berufsverkehr zum Bahnhof gelangen. Am Bahnhof kam es dann zum traurigen Abschied. Besonders schwer fiel der Abschied natürlich den frischen Bekanntschaften aus der Location, die unserem Alter angemessen war. Die Bahn hatte Anfahrtsschwierigkeiten, und aus unerfindlichen Gründen pendelten wir eine geschlagene Dreiviertelstunde auf circa 1 Kilometer hin und zurück. Unsere Stimmung konnte aber nichts trüben, denn wir waren von den Gastfamilien mit reichlich Essen eingedeckt worden und so vertrieben wir uns ähnlich wie auf der Hinfahrt unsere Zeit mit netten Gesprächen, essen und stundenlangen Mario-Kart Duellen.

Irgendwann breitete sich eine kollektive Schläfrigkeit aus. Doch nicht alle Geister konnten ausreichend ruhen und so, wohl aufgrund der Übermüdung, steigerte sich unsere Produktivität und Kreativität ins Unermessliche. So wurde zum Beispiel ein Gedicht verfasst, das zur allgemeinen Erheiterung diente und ein wahres Meisterwerk geworden ist.

Mit knapper Not, da sich zwischenzeitlich 100 Minuten Verspätung angesammelt hatten, erreichten wir einen alternativen Anschlusszug in Berlin. Nach mehr als 18 Stunden Fahrt kamen wir gegen 1:30 Uhr morgens in unserem Heimatbahnhof Tornesch an. Am Freitag durften wir gnädigerweise unsere Traurigkeit über das Ende des Austausches und unsere Müdigkeit wegschlafen - zu Hause!

Unser Dank gilt Herrn Andresen und Frau Müller-Dassau für die Organisation und Begleitung dieses Austausches.

Caitlin M., Henrik Z., Katharina W., E1d