Es ist Winter. Wir müssen morgens im Dunkeln zur Schule fahren und die Sonne steht erst im Laufe der ersten Stunde auf. So ist es nicht verwunderlich, wenn am Montagmorgen erst das Licht angemacht wird, sobald die Lehrerin durch die Tür tritt. Was auch daran liegen könnte, dass das Wochenende anstrengender war als die 36 Schulstunden der letzten Woche. Geringfügige Motivation ist erkennbar. Ein paar Arme werden in 45 Minuten zum Melden gehoben, einige Köpfe sind auf die Tische gesunken. Gespräche sind aus ein paar Reihen zu hören, doch die meisten versuchen, dem Unterricht zu folgen oder unbemerkt durch die Stunde zu gelangen. So ungefähr könnte man den Klassenunterricht der 12d im Raum S beschreiben. Ein doch recht gelangweilter Haufen junger Menschen.
In den großen Pausen teilt sich die Klasse in mehrere Gruppen. Eigentlich nur logisch. Jeder sucht seine Freunde auf dem Schulhof oder in anderen Klassenräumen. Dadurch, dass wir so viele Jahre auf dem LMG sind und in verschiedenen Klassen waren, haben sich nun mal Freundschaften gebildet. Auch wenn man ab der Oberstufe vielleicht nicht mehr im selben Profil ist. Es kommt hinzu, dass es Kursunterricht gibt. Das heißt, dass die Klasse nicht den ganzen Tag zusammen unterrichtet wird. De facto existiert so etwas wie eine gute Klassengemeinschaft nicht. Doch auffallend, so empfinde ich es, ist es, dass der 12. Jahrgang seit der Oberstufe näher zusammengerückt ist. Vermutlich liegt dies an dem Kursunterricht oder den wöchentlichen Feierexzessen.
Was verbindet die Klasse 12d, das Wirtschaft/Politik-Profil? Die durchgehende Motivation für politische und ökonomische Diskussionen? Wohl eher nicht, die gibt es nicht. Ich wage zu behaupten, das einzige, was die Klasse verbindet, ist die Entscheidung, dass wir in das WiPo-Profil wollten. Selbst das wollen längst nicht mehr alle. Die Motivation fehlt. Dies mag unter anderem an den vielen Klausuren und Hausaufgaben, an der Profiloberstufe oder dem ganzen Schulsystem liegen. Hinzu kommen unmotivierte Lehrer und die Frage „Warum muss ich so viel Unnützes lernen?“. Der Praxisbezug fehlt. Allerdings lenkt die Klasse sich selbst ab, was das Lernen erschwert. Es wird nicht nur über Privates geredet, sondern auch mit der neuesten Handy-Generation im Internet gesurft. Die Freizeit sei angeblich abgeschafft worden; und trotzdem haben alle Zeit für Aktivitäten außerhalb der Schulzeit. Komisch.
Es gibt da noch die Frage nach dem genauen Ablauf des Abiturs, was allerdings keine Besonderheit dieser Klasse ist. Niemand scheint so richtig zu verstehen, auch nicht die Lehrer, wie die Abiturprüfungen aussehen werden. Gespräche über die Wahl der Abiturprüfungsfächer kommen in der letzten Zeit häufiger vor, denn der Termin für das Eintragen rückt näher. Auch die Frage, was ich überhaupt mit meinem Abitur machen werde, ist oft Gesprächsthema. Es gibt die Leute, die genau wissen, was sie werden wollen. Pilot zum Beispiel. Dann gibt es die Schüler, die ungefähr wissen, was sie wollen. Irgendetwas Technisches oder etwas mit Wirtschaft. Dazu kommen die, die überhaupt keine Ahnung haben, und sich über die schier unendlichen beruflichen Möglichkeiten den Kopf zerbrechen. Und die, die eigentlich nach dem bestandenen Abitur gar nichts machen möchten. Erst mal chill‘n.
Etwas Besonderes dieser Klasse ist, dass sich Schülerfirmen gegründet haben. So bieten zwei Schüler und eine Ehemalige unserer Klasse erfolgreich Computerkurse für Senioren an. Eine andere Gruppe gestaltete einen Kalender mit historischen Bildern von Uetersen. Doch wirklich relevant ist dies nicht für die Klasse. Eine Arbeit von Freunden und Mitschülern, die nur manchmal im WiPo-Unterricht erwähnt wird. Ein Projekt, welches die Klasse indes gemeinsam durchführt, ist eines der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Jeder Schüler der 12d erhält kostenlos ein Jahr lang die FAZ. Im Gegenzug müssen zwei wirtschaftsbezogene Artikel für die FAZ geschrieben werden. Zu Beginn des Projektes waren alle hochmotiviert. Ein Jahr lang kostenlos die FAZ lesen, das ist schon etwas. Doch diese Motivation sank gen Null, als Herr Zankel das Schreiben eines Wirtschaftsartikels zur Klausurersatzleistung ernannte. Nun musste also doch Freizeit für dieses Projekt geopfert werden. Dies war nicht im Interesse der Klasse. Dass jeder Schüler der Klasse täglich die FAZ liest, bezweifle ich. Dennoch nehmen einige Schüler täglich die Tageszeitung mit in die Schule, um sie zu lesen, die anderen lesen diese vielleicht zu Hause. Bei diesen und bei anderen Aktivitäten gibt es ein paar Schüler, die engagiert und mit Elan Projekte begleiten. Viele wollen aber keine Zeit für weitere schulische Tätigkeiten aufbringen.
Abschließend meine ich, dass die Klassengemeinschaft nicht so schlecht ist, wie es sich anhören mag. Jede Person der Klasse ist liebenswürdig auf ihre Art. Da gibt es den, der oft Fachwörter benutzt. Den chronischen „Zuspätkommer“, obwohl er am dichtesten an der Schule wohnt. Oder denjenigen, der von seiner Freundin, die in Ungarn lebt, schwärmt und unterm Tisch Ungarisch lernt. So könnte man die Liste weiter führen. Alles in allem liebeswürdige und interessante Menschen, die durch die Institution Schule marschieren, viel nörgeln und doch nichts ändern, aber wichtige Erfahrungen für sich und über sich selbst sammeln.